Verformung
5.4.2017
Die meisten Rheumatiker erkennt man ihren Händen. Hier zeigt die Krankheit ihr
Gesicht am deutlichsten, indem sie das Aussehen der Hand- und Fingergelenke
verändert. Dies wird auch Deformierung, Deformation oder Deformität genannt.
Ich bevorzuge den Begriff Verformung,
da er für meine Ohren nicht abwertend klingt, sondern einfach neutral den
Zustand bzw. Vorgang der Veränderung beschreibt.
Entzündungen beeinflussen die Struktur der Bänder, Sehnen und Muskeln. Dies
kann dazu führen, dass die Gelenke nicht mehr richtig gehalten und unterstützt
werden. Beim Handgelenk etwa rutscht durch diese Instabilität die ganze Hand
nach unten ab, was in einer sogenannten Bajonettstellung endet. Auch die
post-entzündlichen Arthrosen führen zu Fehlstellungen, Bewegungseinschränken
und Funktionsverlust. Veränderungen an den Fingern umfassen:
- Schwanenhalsdeformität; dabei knickt das Fingermittelgelenk durch und wird überstreckt, und das Fingerendgelenk verformt sich so nach oben, dass der gesamte Finger wie der Hals eines Schwanes aussieht. Auch die Zehenendgelenke können davon betroffen sein, sodass die Zehen eingekrallt erscheinen.
- Knopflochdeformität; hier ist es genau anders herum - das Fingermittelgelenk verformt sich so, dass es nicht mehr richtig gestreckt werden kann, das Fingerendgelenk wird hingegen überstreckt. Es sieht aus, als könnte man den Finger in ein Knopfloch einfädeln.
- Ulnardeviation; hier knicken alle Finger in Richtung Elle ab bzw. zur Außenseite der Hand. Sie stehen praktisch schief.
- Deformität des Daumens; der Daumen kann nach unten abweichen oder instabil werden.
Mit diesem Bild könnt ihr
euch das noch etwas besser vorstellen.
Meine rechte Hand ist bis auf eine beginnende Bajonettstellung noch komplett
unverändert und voll beweglich. An der linken Hand habe ich ein überbewegliches
Daumengrundgelenk, zwei Knopfloch-Deformitäten (kleiner Finger und
Mittelfinger), ein Schlottergelenk (mein total instabiler Ringfinger) sowie
eine vollentwickelte Bajonettstellung, die ihr auf dem Bild oben gut erkennen
könnt. Ich kann mein linkes Handgelenk seitlich und nach unten bewegen, was für
den Alltag und die Arbeit am PC absolut ausreicht.
Nun habe ich mich sehr auf die Hände konzentriert, die rheumatoide Arthritis
macht aber vor keinem Gelenk halt. Zwar gibt es für den übrigen Körper keine so
fest-abgesteckten Begriffe wie bei der Verformung der Finger, die Folgen sind
jedoch dieselben: Bewegungseinschränkung, Funktionsverlust und Schmerzen. Eine
ausgeklügelte Rheumatherapie, die Schübe verhindert und Entzündungen beseitigt,
ist die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung dieser Beschwerden. Aber auch wenn
sie geschehen ist mit Orthesen noch sehr viel Schadensbegrenzung möglich.
Schwanenhalsringe, auch 8er-Schlaufen genannt, können sowohl bei der
Schwanenhals- als auch bei der Knopflochdeformität verwendet werden. Sie halten
die Finger stabil in Funktionsstellung. Der Schienenversorgung sind keine
Grenzen gesetzt! Ergotherapeuten können eine lange oder kurze
Handgelenksschiene für den Tag bauen, eine Lagerungsschiene für die Nacht mit
und ohne Knopflochdeformität-Ergänzung, eine Daumenschiene, eine Schiene gegen
die Ulnardeviation... es ist für jede Rheumahand etwas dabei.
Es ist nicht immer einfach, damit zu leben, dass der Körper nach und nach
kaputtgeht. Leider hilft es mir auch nicht immer, zu wissen, dass das passiert
oder passieren kann, und mich bewusst darauf einzustellen. Ich glaube, man kann
nie wirklich darauf vorbereitet sein - weil ich immer auf das Beste hoffe! Was
aber immer hilft, auch wenn es neue Baustellen gibt, ist ein tief-verwurzelte
Wissen, dass jeder Mensch liebenswert ist - völlig unabhängig vom äußeren
Erscheinungsbild.
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